Die Geschichte der Hundeerziehung
Der Blick in die Vergangenheit hilft uns dabei zu verstehen, warum uns heute so viele Missverständnisse und Halbwahrheiten in der Hundeerziehung begegnen. Der eigentliche Kern des Übels ist, dass wir etwas als Erziehung bezeichnen, wass es im Grunde nicht ist. Daher ist es nicht verwunderlich, dass wir Erwartungen an Erziehungsmethoden, Hundeschulen und Trainer haben, die letztlich nicht erfüllbar sind. Warum das so ist, verrät uns ein Rückblick in Geschichte der Hundeerziehung.
Einer der Pioniere in der Entwicklung von Hundeschulen war der Amerikaner Colonel Konrad Most. Er war ein Polizeibeamter und Militärbeamter, der die Notwendigkeit erkannte, Hunde für verschiedene Aufgaben wie Polizeiarbeit, Schutz und Gehorsam auszubilden.
Im Jahr 1916 gründete Colonel Konrad Most die "War Dog Training School" in Front Royal, Virginia. In dieser Zeit wurden auch in Österreich die ersten Kriegshundeschulen gegründet. Diese Schule war darauf spezialisiert, Hunde für den Einsatz im Ersten Weltkrieg auszubilden. Die Hunde wurden nicht nur für die Überwachung und den Schutz von Truppen eingesetzt, sondern auch für die Panzerabwehr und die Übermittlung von Nachrichten und das Aufspüren von verletzten Soldaten.
Kriegshunde im Einsatz
Dies war der Beginn der Hundeausbildung für nichtjagdliche Zwecke. Die Ausbildung war geprägt von der damaligen Vorstellung vom militärischen Kommandogehorsam. Aus dieser Zeit stammen viele der noch heute angewandten Methoden in der Hundeausbildung und auch das Vokabular. Deshalb sprechen wir auch von Kommandos und nicht von Signalen.
In der Nachkriegszeit wurde diese Art der Ausbildung nicht nur für Dienst- und Arbeitshunde beibehalten, sondern auch in den ersten Hundeschulen angewandt, um Hunde zu erziehen und ihnen den sogenannten Grundgehorsam beizubringen. Viele Veteranen begannen, die Erfahrungen in der Hundeausbildung gemacht hatten, zivile Hundeschulen zu eröffnen. Die steigende Beliebtheit von Hunden als Haustiere verstärkte den Bedarf an Gehorsamstraining und sozialer Integration in städtischen Gebieten. Die Idee, dass Hunde nicht nur als Arbeits- oder Kriegstiere, sondern auch als Familienmitglieder betrachtet wurden, trug zur Entwicklung von Hundeschulen bei.
In den 1930er-Jahren gewannen Gehorsamkeitswettbewerbe bei den Rasseausstellungen zunehmend an Bedeutung. Eine Vorreiterrolle nahm dabei Helene Whitehouse Walker ein, als sie beschloss, allen zu zeigen, dass ihr Großpudel weit mehr als nur ein weiteres hübsches Gesicht war.
Helene Whitehouse Walker bei einer Gehorsamkeitsdemonstration
Walker war ein Züchter von Standardpudeln, Hunden, die damals von vielen als „Sissies“ angesehen wurden. Sie kam auf die Idee, auf Hundeausstellungen wettbewerbsfähige Gehorsamstests abzuhalten und begann auf Hundeclubs und Züchter zuzugehen. Im Jahr 1933 nahmen in Mount Kisco, New York, acht Hunde an Amerikas erstem Obedience-Test teil. Der Slogan „Train Your Dog“ wurde im ganzen Land populär und 1934 führten der North Westchester Kennel Club und der Somerset Hills Kennel Club bei ihren Konfirmationsausstellungen Gehorsamstests durch. Bis 1936 hatte der American Kennel Club die „Regulations and Standards for Obedience Test Trials“ entwickelt und verwendete diese bei lizenzierten Obedience-Veranstaltungen.
Auch in Europa fanden in dieser Zeit die ersten Obedience-Veranstaltungen, also Gehorsamsvorführungen statt und es entstanden die ersten Gehorsamkeits-Schulen und Vereine. Auch heute ist es nach wie vor üblich und auch erwünscht, dass ein Hund den Grundgehorsam wie zum Beispiel die Kommandos „Sitz", „Platz" und „Bleib" beherrscht. Erst wenn er diese Kommandos in Perfektion befolgt, spricht man von einem erzogenen Hund, obwohl er eigentlich nur dressiert worden ist.
Grundgehorsamkeit gilt auch heute noch in vielen Hundeschulen als Erziehung
Genau wie bei der Erziehung eines Kindes hat Kommandogehorsam nichts mit Erziehung zu tun. Unter Erziehung versteht man die geleitete Einübung von Normen, die in einem gegebenen Umfeld vorausgesetzt werden.
Die Erziehung eines Hundes erfordert eine vollkommen andere Denkweise und andere Methoden als das reine Erlernen von Kommandos. Für einen Dienst- oder Arbeitshund, der selbstständig bestimmte Aufgaben übernehmen soll, ist es sinnvoll, dies mittels Kommandogehorsam zu trainieren. Will man jedoch, dass sich ein Hund in eine Familie integriert und vielleicht sogar mit Kleinkindern zusammenlebt, ist man darauf angewiesen, dass sich der Hund den Entscheidungen des Menschen unterordnet. Tut er dies nicht, besteht die Gefahr, dass er zu einer Bedrohung für die eigene Familie, fremde Menschen oder andere Hunde wird.
Damit sich der Hund jedoch dem Menschen unterordnet, sollte man verstehen, was Unterordnung überhaupt bedeutet. Unterordnung findet im Kopf statt und nicht auf Grund eines Kommandos. Tatsächliche erfolgt sie nur dann, wenn man sich den Entscheidungen eines anderen anschießt, weil diese sinnvoller sind als die, die man selbst getroffen hätte. Treffe ich also aus Sicht meines Hundes sinnvolle Entscheidungen, wird er sich mir gerne unterordnen. Nicht weil er es muss, sondern weil es für ihn Sinn macht.
Die Summe der Entscheidungen, die wir treffen, ergibt das Regelwerk, an dem sich unser Hund im Zusammenleben mit uns und anderen Sozialpartnern orientiert. Das Vermitteln dieser Regeln bezeichnen wir als Erziehung.
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