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Die Strassenhunde von Peru

Peruanischer Nackthund Auf der Suche nach dem ursprünglichsten aller Hunde in Peru, dem Peruanischen Nackthund (wir haben ihn tatsächlich gefunden s. Bild), hatten wir die Gelegenheit das Verhalten der unzähligen Straßenhunde zu beobachten. Aber nicht nur die Hunde weckten dabei unser Interesse sondern auch die Menschen, die dort mit den Hunden lebten.

Das Verhältnis der Menschen zu Hunden, gerade außerhalb der Städte, war ein wenig wie eine Zeitreise. Wir konnten fühlen, wie es vor tausenden Jahren gewesen sein muss, als der Wolf sich dem Menschen anschloss und schließlich zu dem wurde was wir heute Hund nennen.

Mensch und Hund leben hier nebeneinander und teilen sich einen Lebensraum. Die Menschen tolerieren die Straßenhunde und die Hunde zeigen keinerlei Furcht oder Aggression aber auch kein besonderes Interesse am Menschen. Sie laufen unbeirrt über Märkte und durchqueren Menschenansammlungen und schlängeln sich dabei elegant durch die Beine der Leute ohne ihnen Beachtung zu schenken. Zwischen Mensch und Hund findet kaum Interaktion statt. Niemand redet mit ihnen, spielt oder beschäftigt sich in irgendeiner Weise mit ihnen. Auch werden sie nicht vom Menschen gefüttert. Die Hunde beziehen ihre Nahrung zwar aus den Abfällen, die zum Beispiel an Märkten anfallen aber es fehlt an Interaktion zwischen Mensch und Hund. Der Hund bedient sich an dem was der Mensch übrig lässt, so wie es wahrscheinlich schon vor tausenden Jahren war. Unsere Versuche uns selbst gegenüber den Hunden interessant zu machen oder sie zu locken scheiterten kläglich. Die Straßenhunde waren es nicht gewohnt, dass Menschen mit ihnen in direkten Kontakt treten und schon gar nicht dass vom Menschen etwas Positives ausging. Die Straßenhunde lebten in ihrer eigenen Welt, unauffällig und ohne Beziehung zu den Menschen. Das unauffällige Verhalten ist das Ergebnis eines langen Selektionsprozesses und der Grund, warum die Menschen die Straßenhunde auch heute noch dulden.

Furcht vor dem Menschen hätte bedeutet, dass die Tiere sich nicht in die Nähe der Siedler gewagt hätten und sich so auch nicht von deren Abfällen hätten ernähren können. Aggression wiederum wurde vom Menschen nicht toleriert. Ängstliche oder aggressive Hunde hatten in der Vergangenheit also keine Chance sich im Lebensraum des Menschen fortzupflanzen. Deshalb ist es nur logisch, dass die heutigen Straßenhunde dermaßen gut an das urbane Leben angepasst sind. Wichtig für die Hundeerziehung ist die Erkenntnis, dass ohne Interaktion keine Beziehung entstehen kann. Möchte ich für meinen Hund ein wertvoller und interessanter Sozialpartner werden und möchte ich eine vertrauensvolle Beziehung zu ihm aufbauen ist Interaktion das aller Wichtigste.(Wie Beziehung entstehen und wie man sie beeinflussen kann erfahren Sie in unserem Buch „Das Alpha Projekt“.) Die Domestizierung des Wolfes hat zu einer Abschwächung der Aggressionsneigung bei unseren Hunden geführt. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Hund keine Aggression zeigen kann. Hunde sind auch heute noch in der Lage Menschen aber auch anderen Tieren ernsthaften Schaden zuzufügen.

Vermeidbar sind diese Gefahren, wenn man die Natur des Hundes versteht. Ein wichtiger Punkt ist das Territorialverhalten unserer Hunde. Dieses Verhalten ist, wie viele andere auch, als Erbe vom Wolf erhalten geblieben.

Die Beobachtungen der Straßenhunde in Peru zeigen eindrucksvoll, wie Hunde die sozusagen in freier Wildbahn leben, ihr Revier managen. Die Parallelen zu seinem Urvater sind dabei unverkennbar.

Beeinflusst wird das territoriale Verhalten der Straßenhunde maßgeblich vom Nahrungsangebot und der Art der Nahrungsquelle. Bei Wölfen, die zum Beispiel von der Jagd auf größere Huftiere leben, gibt es eine zentrale Nahrungsquelle (Beute) und ein meist sehr weiträumiges Jagdrevier. Auch bei den Straßenhunden konnten wir diese Konstellation beobachten. Eine Gruppe von Hunden hatte zum Beispiel einen kleineren Markt andere einen Hinterhof eines Restaurants, wo in gewisser Regelmäßigkeit Abfälle angefallen sind, von denen sich die Hunde ernähren konnten. Diese eher zentralen Nahrungsquellen führten dazu, dass die Hunde in einem weiträumigen Umkreis ein Territorium für sich beanspruchten und dieses auch gegen fremde Hunde verteidigten. Selbst Menschen wurden verbellt, wenn die Hunde in ihnen eine Bedrohung sahen. Auffällig war auch die Gruppendynamik die wir dabei beobachten konnten. Sobald ein Gruppenmitglied zum Beispiel einen fremden Hund gesichtet und angezeigt hatte schlossen sich mehrere Hunde zusammen, um den „Eindringling“ auf seine Absichten hin zu prüfen, ganz so wie es auch Wölfe tun würden.

Meist hatten hier peruanischen Hundehalter ein Problem, wenn Sie mit ihrem „Haushund“ durch das Revier der Straßenhunde spazierten. Fremde Hunde aus anderen Gegenden hielten sich nur sehr selten dort auf und dann nur in sicherer Entfernung.

Bei den Tieren der Gruppe die über das Gebiet herrschte war eine Rangordnung erkennbar, ähnlich wie auch bei Wölfen, die in Rudeln leben.

Vollkommen anders verhielt es sich bei den Straßenhunden, die keinen zentralen Anlaufpunkt hatten, um an Nahrung zu gelangen. Diese Hunde verhielten sich wie Einzelgänger. Ihre Nahrung beschafften sie sich dort, wo gerade etwas abfiel. Man sah sie in einem weitaus größerem Gebiet umherstreifen. Sie waren sozusagen ohne festen Wohnsitz. Diese Hunde zeigten kein Territorialverhalten, wie die anderen Gruppen mit einem zentralen Zugang zu Nahrung. Sie waren sehr tolerant und unauffällig. Auch wenn mehrere dieser Hund zusammenkamen, bildete sich keine erkennbare Hierarchie unter ihnen aus, was durchaus nachvollziehbar ist.

Eine Rangordnung oder Hierarchie hat eine klare Funktion. Sie regelt den Zugriff auf Ressourcen unter Sozialpartnern einer Gruppe. Erst wenn die Notwendigkeit besteht und für das Leben einer Gruppe von Vorteil ist, bilden sich Rangordnungen. Das geschieht dann, wenn zum Beispiel mehrere Tiere ein und dieselbe Nahrungsquelle nutzen. Bei Wölfen ist es das gejagte Wild an dem sich die ganze Sippe bedient bei Straßenhunden kann das zum Beispiel ein Hinterhof einer Metzgerei sein. Hunde, die sich dezentral versorgen haben hingegen keinen Grund eine Hierarchie auszubilden. Sie haben mehrere Optionen um an Nahrung zu gelangen. Hier kann man lediglich kleinere Rangeleien beobachten, wenn sich zum Beispiel zwei Hunde um herumliegende Essensreste eines Lunchpakets streiten. Diese Rangeleien sind jedoch keine Rangordnungskämpfe. Häufig wiederholen sich Streitigkeiten zwischen den gleichen Tieren in anderen Situationen. Wenn es hier eine Rangordnung geben würde, käme es hier nicht wiederholt zu Auseinandersetzungen. Meist sind die Auseinandersetzungen jedoch weniger ernsthaft. Solange jeder genügend Optionen hat an Nahrung zu kommen, hält sich auch die Bereitschaft zu einer ernsthaften Rauferei in Grenzen.

Im Allgemeinen konnten wir beobachten, dass die Einzelgänger wesentlich toleranter, umgänglicher und entspannter waren als die Hunde mit einem festen Revier.

Es macht also Sinn, zu hinterfragen warum sind einige Hunde friedfertiger oder aggressiver und was bedeutet das für die Erziehung meines Hundes?

Jeder Hund würde Aggression vermeiden wenn er die Wahl hat. Erst wenn es notwendig wird und sich das Risiko selbst dabei Schaden zu nehmen lohnt, würde ein Hund sich einer ernsthaften Auseinandersetzung stellen.

Dies geschieht zum Beispiel sobald es um das eigene Überleben geht. Hier wird jeder Hund bestrebt sein eine Auseinandersetzung für sich zu entscheiden. Abgesehen von der Selbstverteidigung würde einen Straßenhund nur dann Aggression entwickelt wenn er seine existenziellen Ressourcen gefährdet sieht. Eine Ressource ist zum Beispiel Nahrung, das Revier in dem sich die Nahrung befindet oder auch Sozialpartner von denen der Zugang zu Ressourcen abhängt. Ist diese Ressource in Gefahr wird der Hund sie schützen. Die Hunde, deren Leben von einer zentralen Nahrungsquelle abhängen, werden diese verständlicherweise auch verteidigen. Also ist es nicht verwunderlich, dass ein Einzelgänger weniger Territorialverhalten zeigt als Hunde mit ortsgebundenem Zugang zu Nahrung. Teilen sich mehrere Tiere einen zentralen Nahrungszugang, bilden sich Hierarchien aus. Warum? Weil es Sinn macht.

All dies braucht ein Einzelgänger nicht. Er hat genügend Quellen, um sich Nahrung zu beschaffen. Er würde deshalb nie sein Leben aufs Spiel setzen, nur um eine dieser Quellen zu verteidigen. Er hat die Möglichkeit einem Konflikt aus dem Weg zu gehen ohne dabei eine Ressource zu verlieren. Ein Hund der örtlich gebunden ist hat diese Möglichkeit nicht. Auch würde der Einzelgänger sich nicht dauerhaft jemand anderen unterordnen. Er ist selbst Herr über seine existenziellen Ressourcen und ist wahrscheinlich auch selbständig und intelligent genug, um sich neue Nahrungsquellen zu suchen.

Was bedeutet das nun für die Hundeerziehung?

Wenn Sie die Situation Ihres Hundes mit der eines Straßenhundes vergleichen, kommen Sie wahrscheinlich zu dem Schluss, dass er nicht das Leben eines Einzelgängers führt, sondern eine ortsgebundene Abhängigkeit entwickelt hat. Er lebt an einem festen Ort, bezieht dort seine Nahrung und seine Sozialpartner (Ihre Familie) leben auch an diesem Ort. Es ist daher nur logisch, dass Ihr Hund Territorialverhalten entwickelt. Bis auf wenige Ausnahmen tun es auch die meisten Hunde, die in unseren Familien leben. Damit verbunden sind die Probleme, die wir täglich in der Hundehaltung beobachten können (Aggression gegen Artgenossen, Zerren an der Leine, Bellen wenn es an der Tür klingelt, kläffen am Gartenzaun ...).

Mehr zum Thema können Sie in unserem Buch „Das Alpha Projekt“ nachlesen.

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Comments

  • Beene (16. Februar)

    Sehr sehr spannender Bericht - vielen Dank dafür!

    Ich selbst war noch nicht in Peru, aber ich habe vor einigen Jahren meinen Faible für Peruanische Nackthunde entdeckt und halte mehrere Perro sin Pelo hier bei mir.
    Natürlich sind die als "Haushund" gehaltenen Exemplare nicht mit den Straßenhunden vergleichbar. Aber es ist schon so, dass diese Rasse sehr alt und noch recht urtümlich ist, da es - zum Glück - keine Modehunde sind. Eher haben wir das Problem eines sehr kleinen Genpools.
    Was die Nacktheit betrifft, denke ich schon, dass die Mutation sich durchgesetzt hat, weil es einen Vorteil brachte, nackt zu sein. Das Nackte ist nämlich dominant und nicht rezessiv. Es gibt auch voll behaarte Nackthunde, was viele hierzulande gar nicht wissen. Sie sehen aus wie Mischlinge oder vielfach auch wie kleine Schäferhunde.
    Wäre nackt nachteilig gewesen, hätten die Nackten sich nicht dominant durchgesetzt genetisch.
    Auch ist spannend, dass die Nackten durchaus rassistisch veranlagt sind. Schon kurz nach der Geburt teilen sich die Welpen auf. Die Nackten liegen zusammen. Und die Behaarten. Selten liegen sie zusammen. Es gibt sogar nackte Hündinnen, die ihre behaarten Welpen totbeißen.
    Was das schnellere Frieren anbelangt möchte ich dem Artikel widersprechen. Zumindest frieren die Nackthunde nicht mehr, eher weniger als all die Rassen, denen der Mensch die Unterwolle weggezüchtet hat.
    Es gibt natürlich immer Regionen, in denen eine Population idealere Bedingungen hat als in anderen. In Argentinien, wo eine noch von der FCI nicht anerkannte Nackthundrasse, die Pilas, leben, gibt es eine lang- und eine kurzbeinige Variante. Die kurzbeinige kommt in den Bergen vor. Es gibt Leute, die glauben, in Peru müsse die Entwicklung ähnlich verlaufen sein. Aber genau weiß man das nicht. Klar ist nur, dass auch hier immer wieder Kurzbeinigkeit vorkommt. Allerdings ist diese nicht (mehr) erwünscht, weil es ja nun einen Rassestandard gibt.....von Menschen gemacht, wohlgemerkt. Aber das ist ein anderes Thema.
    Die Peruanischen oder auch Mexikanischen Nackthunde, Xoloitzcuintle, sind auf jeden Fall sehr robuste, nicht überzüchtete und keinesfalls als "Qualzucht" zu bezeichnende Rassen. Es sind Hunde vom Urtyp und damit meiner Ansicht nach biologisch und auch historisch ausgesprochen wertvoll.

  • Andrea (10. Dezember)

    Fast die gleiche Situation konnte ich im letzten Urlaub in Kreta feststellen: Hunde (und auch überall Katzen) hielten sich an Strand, Promenade und in den Dörfern ganz unbefangen auf - manche ließen es zu, wenn Menschen sich mit Ihnen beschäftigen wollten, die meisten gingen aber einfach ihren eigenen Beschäftigungen nach.
    Und ganz offensichtlich war es für die einheimischen Zwei- und Vierbeiner genau so in Ordnung. Nur die Touristen, die unbedingt die "armen Tiere" retten und mit nach Hause nehmen wollten, waren da anderer Meinung.

    Ich bin jetzt schon gespannt, auf Ihr Buch, das sicher in den nächsten Tagen mit der Post bei mir ankommt!!

  • Moni (27. Januar)

    wieder mal ein spannender lehrreicher Bericht von Euch und auch die unterschiedlichen Situationen. Ich nehme an das in Peru die Hunde auch keine Aufgaben haben wie Hüten oder bewachen usw. Stimmt es das der Nackthund eigentl. ein Gendefekt hatte und der Hund dadurch eher einen Vorteil dadurch hatte?wegen Ungeziefer usw. Ist es dort nicht auch irgendwann kalt? Wie ist es dort mit der Vermehrung oder regelt das die Natur von selbst ? Sind dort die Menschen auch etwas toleranter gegenüber den Hunden ? LG Moni

    • Perfectdogs (28. Januar)

      Hallo Moni, vielen Dank für deinen Beitrag. Es gibt in Peru natürlich auch Hunde, die als Haustiere gehalten werden oder den Hof bewachen müssen (das geschiet häufig auf dem Dach des Hauses). Im Allgeimeinen ist die Tolleranz gegenüber den Straßenhunden schon sehr groß. Jeder lebt in seiner Welt. Die Menschen beachten die Straßenhunde kaum und die Hunde den Menschen ebenso wenig.

      Die Nacktheit des Peruanischen Nackthundes ist auf eine Genmutation zurückzuführen. Ob sie dadurch evolutionäre Vorteile hatten wage ich zu bezweifeln. Die Hunde können nur wärmere Gebiete besiedeln, da sie tatsächlich schneller frieren. In den Anden, wo es kälter ist, findet man die Hunde nicht. In manchen Gegenden werden die Welpen für die Rheumabehandlung eingesetzt. Die Wärme der Kleinen hilft Gelenkschmerzen zu lindern. Das sie tatsächlich heilende Wirkung haben ist aber eher unwarscheinlich.

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