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Rasse gleich Klasse?

Rassehunde Mix

Die meisten Menschen, die einen Hund adoptieren, orientieren sich bei der Wahl ihres neuen Familienmitgliedes an den bekannten Hunderassen. Die unzähligen Bücher über die verschiedenen Rassen suggerieren dem Leser, dass jede Rasse bestimmte Wesenseigenschaften mitbringt. So denkt der Hundefreund, dass er bei einer bestimmten Rasse auch bestimmte Wesensmerkmale miterwirbt, wie Sonderausstattung bei einem Auto. Ein Hund ist und bleibt ein Hund und es gibt aus meiner Erfahrung mehr Rassehunde, die von ihren rassetypischen Wesensmerkmalen abweichen, als solche, die den Anforderungen gerecht werden. Mit den Wesensbeschreibungen verhält es sich ein wenig wie mit Horoskopen. Sie passen irgendwie auf alle und auch wieder nicht.

Gemäß Rassestandard ist zum Beispiel der Deutsche Schäferhund vom Wesensbild her ausgeglichen, nervenfest, selbstsicher, absolut unbefangen und gutartig, dazu aufmerksam und führig. Er muss Mut, Kampftrieb und Härte besitzen.

Kein Hund, auch kein Deutscher Schäferhund, wird mit diesen Eigenschaften geboren. Ein Hund ist ein eigenständiges Individuum. Erst seine individuelle Entwicklung entscheidet über sein Wesen. Einige Hunde haben besondere Veranlagungen, wonach bei der Zucht mehr oder weniger stark selektiert wird. Diese Veranlagungen sind jedoch keine Wesenseigenschaften. Eine Veranlagung ist die Fähigkeit eine bestimmte Eigenschaft ausbilden zu können, wenn sie gezielt gefördert wird.

Als normaler Hundehalter würde man jedoch nie auf die Idee kommen, den Rassenwahn infrage zu stellen. Denn in der Regel hält man sich nicht hundert Hunde einer Rasse, sondern nur ein oder zwei. Weicht der eigene Hund von der rassetypischen Wesensbeschreibung ab, wird er von seinen Besitzern meist als etwas ganz Besonderes angesehen. Aber jeder Hund ist ganz besonders und individuell sehr verschieden. Es ist daher schon grob fahrlässig Hunde einer bestimmten Rasse als Anfängerhunde, familiengeeignet oder als kinderlieb zu bezeichnen. Ein Hund ist ein Raubtier, auch wenn er nicht immer so aussieht.

Das Wesen eines Hundes wird durch sein soziales Umfeld und seine Erfahrungen geprägt, nicht durch eine Wesensbeschreibung in einem Buch, seiner Rasse oder durch sein Aussehen. Hunde wachsen nach Monaten und Jahren zu einzelnen Individuen heran und werden aufgrund ihrer unterschiedlichen Erfahrungen verschiedene Charaktereigenschaften ausbilden.

Ridgeback Welpen Auf der linken Seite sehen Sie ein Foto von Rodasian Ridgeback Welpen. Unschwer zu erkennen ist, dass einer der Welpen keinen Ridge (der Haarkamm auf dem Rücken) besitzt, der typisch für diese Hunderasse ist. Irrsinniger Weise ist dieser Welpe kein Rodasian Ridgeback obwohl er die selbe Mutter wie seine Geschwister hat. Aber was ist er dann?

Häufig ereilt diese Welpen ein weniger angenehmes Schicksal als ihre Rassegeschwister. Die Zuchtordnung des britischen Rasseclubs hielt bis 2008 daran fest, dass ohne Ridge geborene Welpen getötet werden sollten. Bis heute werden diese Welpen als minderwertige Hunde angesehen.

Ein Rhodesian Rigdeback wird 63 bis 69 cm groß und wiegt etwa 36,5 kg. Hündinnen werden bei etwa 32 kg bis zu 66 cm groß. Die Hunde sind muskulös, mit einer tiefen Brust, mäßig gewölbten Rippen und leicht gewölbten Lenden. Der Hals ist eher lang, das Fell kurz, dicht, glatt und hell weizenfarben bis rot weizenfarben, gelegentlich mit schwarzer Schnauze und dunklen Ohren. Manche Hunde haben eine weiße Behaarung an der Brust oder den Zehen. Gemäß FCI-Standard sollte ein Rhodesian Ridgeback dunkle Augen zu schwarzer Nase oder bernsteinfarbene Augen zu heller „leberfarbener“ Nase haben. Die Ohren sind am Kopf dicht anliegend, hoch angesetzt und mittelgroß.

Was aber ist mit den Hunden, die größer, kleiner, falsche Ohren oder eine falsche Augenfarbe haben? Richtig, sie sind genauso tolle Hunde – aber eben keine Rhodesian Rigdeback. Selbst Züchter sehen das so, obwohl sie mit eigenen Augen gesehen haben, dass alle Welpen von der selben Mutter geboren wurden.

Aber der größte Unsinn bei der Rassezucht besteht darin, dass wir kranke Hunde züchten. Die Selektion nach bestimmten Eigenschaften bei der Zucht führt zwangsläufig zur Abnahme der genetischen Vielfalt innerhalb einer Rasse und steigert das Risiko von genetisch bedingten Krankheiten erheblich. Will man die Rassestandards einhalten, kommen unweigerlich nur sehr wenige Tiere für die Zucht in Frage. Oft sind es nur eine „handvoll“ Tiere, von denen eine gesamte Rasse abstammt. Häufig sind Krankheiten die Folge, die in der Natur überhaupt nicht vorkommen.

Auch beim Rhodesian Rigdeback züchtet man bewusst das Gesundheitsrisiko. Der Ridge, das Markenzeichen des Rigdebacks, ist eine schwache Form der Krankheit "Spina bifida“ oder auch Spaltwirbel genannt. Spina bifida bedeutet offener Rücken. In seiner schweren Form kann er bis in das Rückenmark reichen. Gesunde Hunde, ohne Ridge, werden hingegen als wertlos angesehen – verrückt oder?

Der FCI-Standard beschreibt Rhodesian Ridgebacks als „würdevoll, intelligent, Fremden gegenüber zurückhaltend, aber ohne Anzeichen von Aggressivität oder Scheu“. Genau wie bei beim Deutschen Schäferhund, wird auch ein Rhodesian Rigdeback nicht mit diesen Eigenschaften geboren. Er ist und bleibt ein Hund, der Aggression entwickelt, wenn es sein muss, der Angst haben kann und nicht weiß, was Würde bedeutet.

Wenn die Wesensmerkmale von Hunden durch die Rasse oder durch ihr äußeres Erscheinungsbild bestimmt werden würden, dann wäre dass so, als wenn man unter uns Menschen zum Beispiel alle Rothaarigen als besonders intelligent, alle blonden als besonders dumm oder alle Schotten als geizig bezeichnen würde. Jeder weiß, dass das unsinnig ist. Das was wir lernen und an Erfahrungen in unserem Leben sammeln, entscheidet über unser Wesen. Wenn zum Beispiel in Asien geborene Kinder hier in Deutschland aufwachsen, verhalten Sie sich genauso „deutsch“ wie jemand der einen Jahrhunderte alten deutschen Stammbaum hat.

Auch die Wesensmerkmale eines Hunde muss man individuell betrachten und nicht anhand einer Rasse. Es gibt Dobermänner, die im Allgemeinen als Wachhund gelten, die jeden Einbrecher verschlafen würden, Podencos, die zu faul zum Jagen sind und aggressive Labrador Retriever, die gemeinhin als Familienhunde bekannt sind.

Bei Einführung der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit in Bayern 1992 wurde der Rhodesian Rigdeback als gefährliche Rasse eingestuft, was laut Rassebeschreibung des FCI faktisch überhaupt nicht sein dürfte, da er nach seiner Wesensbeschreibung ohne Anzeichen von Aggressivität sein muss. Aber auch ein Rhodesian Rigdeback ist ein ganz normaler Hund, der sich nicht immer an den Rassestandard hält. Er ist ein Individuum, was lernt sich an seine Umwelt anzupassen und Probleme zu bewältigen. Diese Lernerfahrungen sind es, die das Wesen des Hundes ausmachen und nicht der FCI-Standard.

Mittlerweile wurde er von der Liste der gefährlichen Hunde gestrichen, aber nicht weil er besonders friedlich ist, sondern weil von ihm keine größere Gefahr ausgeht, als von jedem anderen Hund. Im übrigen werden in Deutschland die meisten Beißunfälle vom Deutschen Schäferhund verursacht, der bis heute auf keiner dieser Listen zu finden ist. Es wäre auch falsch den Schäferhund als gefährlich zu bezeichnen, genauso wie es falsch ist eine bestimmte Rasse als gefährlich zu bezeichnen. Kein Hund wird böse geboren. Alle Welpen starten ins Leben mit den gleichen Voraussetzungen. Das was sie später lernen prägt ihr Wesen. Selbst ererbtes rassetypisches Verhalten oder defizitäres Verhalten kann durch spätere Erfahrung und Sozialisierung überlagert werden. Lernt ein Hund Aggression zu entwickeln, dann nur weil wir Menschen es ihm bewusst oder unbewusst beibringen. Es sollten deshalb eher Hundehalter auf diese Liste, als Hunde, die nur das tun, was wir ihnen beigebracht haben.

Ein weiteres meist unterschätztes Problem ist die Selektion der Hunde nach bestimmten Triebanlagen. In der Natur erfolgt die Selektion nach ganz praktischen Methoden. Wer am erfolgreichsten in seinem Lebensumfeld ist, wird auch sein Erbgut an seinen Nachwuchs weitergeben können.

Wir Menschen greifen nun in diese natürliche Selektion ein, weil wir einzelne Triebe und später einzelne Eigenschaften besonders ausprägen wollen. Am Ende führt das zu einem Ungleichgewicht der Triebe. Übertriebene Triebausprägungen haben den Preis, dass diese Hunde meist schlechter zu sozialisieren sind. In einer Gruppe verhalten sich diese Hunde vollkommen asozial. Sie brechen beispielsweise Interaktionen mit anderen Artgenossen ab, um ihren Trieb zu befriedigen. Hat ein Hund zum Beispiel einen extrem stark ausgeprägten Futtertrieb, würde er die Interaktion mit anderen Sozialpartnern sofort unterbrechen, wenn er die Chance sieht, an Futter zu gelangen. Er würde auch eher Aggression gegen Konkurrenten entwickeln, um diese vom Futter zu vertreiben, was ein normal veranlagter Hund nicht tun würde. Besonders beutetriebige Hunde würden ihre Sozialpartner verlassen, um zum Beispiel einer Fährte zu folgen. Tiere mit derart übertriebenen und völlig unnatürlichen Trieben würden in der Natur keine Chance haben, sich zu verpaaren und damit sich selbst ausselektieren. Die Natur sorgt für ein harmonisches Gleichgewicht der Triebe und duldet keine Extreme. In unserer von Menschenhand gesteuerten Zucht spielt das keine Rolle, hier geht es darum, Geld zu verdienen.

Achten Sie bei der Auswahl Ihres Hundes auf seinen Charakter. Lassen Sie sich nicht von Wesensbeschreibungen leiten, die Ihnen sagen, wie Ihr Hund einmal sein wird. Die Zukunft Ihres Hundes bestimmen Sie maßgeblich und damit auch die Erfahrungen, die sein späteres Wesen ausmachen.

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